Essen: Kein Druck, viel Liebe
Autorin: Lena

#alltag #familienleben
„Wollen wir noch was Essen gehen?“ Ich schaue sie an – was für eine Frage. Sie muss lachen und nickt. „Du suchst aus!“
Essen spielt in meinem Leben eine unglaublich wichtige Rolle. Vielleicht, weil es mir nicht immer möglich ist. Vielleicht, weil ich schon so oft hungrig ins Bett gehen musste. Vielleicht, weil es einfach schön ist.
Dass ich seit meiner Geburt mit Epidermolysis bullosa lebe, hat mich hinsichtlich der Ernährung sehr beeinflusst. Meine Speiseröhre ist so schwer betroffen, dass ich im Kindesalter teilweise alle 2-3 Wochen meine Speiseröhre operativ aufgedehnt bekommen musste, irgendwann nur noch alle 4 Monate. Insgesamt über 70 Operationen. Einfach, weil ich nichts mehr essen oder trinken konnte – nicht einmal meine eigene Spucke konnte ich schlucken. Manchmal über Tage. Im Hochsommer. Das war irgendwann so gefährlich – und anstrengend für mich – dass ich mich mit 5 Jahren gemeinsam mit meinen Eltern für eine Magensonde entschieden habe. Dies war für mich die wichtigste und wohltuendste Entscheidung in meinem Leben. Ich bekomme ausreichend Nahrung und Kalorien, welche ich vor allem vermehrt für die Wundheilung benötige. Ich sondiere 4-mal täglich, brauche dafür jeweils 5 Minuten, kann Tabletten über die Magensonde bekommen und habe pro
„Mahlzeit“ 600 kcal – allein durch das Sondieren. Zusätzlich esse ich ganz normal, so gut es geht und kann das Sondieren anpassen. Kann und möchte ich mehr essen, sondiere ich weniger. Kann ich gerade schlecht schlucken oder habe Blasen im Mund, sondiere ich mehr. Ich kann also ganz normal weiter essen – aber eben ohne Druck. Ich muss nicht. Ich kann genießen. Ich muss keine Angst mehr haben, hungrig ins Bett zu gehen oder nicht genügend Nährstoffe zu bekommen.
Ich habe beim Essen keinen Zwang mehr, kein Pflichtgefühl. Nur Genuss. Nur Liebe. Denn ich liebe es, zu essen. Ich esse fast alles, probiere gerne Neues und koche gerne. Für gutes Essen würde ich alles geben. Alles.
Und so gehe ich auch mit Freundinnen und meiner Familie gerne essen. Dabei versuche ich immer, auf möglichst wenig zu verzichten. Ich priorisiere Essen immer – da ist es mir nicht wichtig, ob ich später Blasen habe, nur, weil ich unbedingt das Surf and Turf mit Kartoffelkroketten essen wollte. Essen gibt mir so viel Lebensqualität. Und ich verbinde damit so zauberhafte Momente: Der Grillabend im sommerlichen Garten einer Freundin mit Lichterketten und guten Gesprächen, das Glas Wein zum Anstoßen mit einem tollen Mann beim ersten Date, der Kochabend mit meinen Geschwistern zu guter Musik und dem Filmabend danach, der berühmte Snack um 2 Uhr nachts nach einer guten Feier, der Restaurantbesuch als Belohnung für eine wirklich anstrengende Woche, alleine in einem Café sitzen, einen Kuchen essen und ein Buch lesen – all das verbinde ich mit Essen. Und da ist es unwichtig, dass meine Freundinnen mir ganz automatisch dabei helfen, das Steak zu schneiden oder dass ich immer eine Kanüle dabeihabe, damit ich im Falle einer Blase sofort weiteressen kann oder dass mich meine Freund*innen an einem langen Tag sondieren, wenn wir gemeinsam am Strand waren. Das gehört dazu. Ganz selbstverständlich, ganz nebenbei, ganz kommentarlos. Ein Fläschchen Nahrung, eine Spritze und der Schlauch zum Sondieren sind immer in meiner Tasche. So selbstverständlich wie Verband, Schlüssel und Lippenpflege. Und ich muss nie mehr Hunger leiden.
Wenn du mich also beim nächsten Mal fragen möchtest, ob wir zusammen Essen gehen: Die Antwort sollte klar sein. Ja, ich will.
Disclaimer: Die hier wiedergegebenen persönlichen Statements sind alleine Meinungen und Dafürhalten der interviewten Patient*innen, es stellt keine medizinische und sonstige Handlungsempfehlung seitens Chiesi dar.